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Kann man mit Sporen ein guter Horseman sein?

Januar 2021

Aus meiner Sicht gibt es als Antwort auf diese Frage ein klares „Ja, man kann“.

Die Diskussion um Sporen ist ein scheinbar unendliches Diskussionsthema in der Pferdeszene, insbesondere in der „modernen“ Horsemanship Bewegung. ​

Ich habe in den letzten 20 Jahren viel darüber nachgedacht und auch immer wieder Phasen gehabt, in denen ich Sporen in der Arbeit mit Pferden, egal ob im Jungpferde- bzw. Basistraining oder dem Erarbeiten höherer Lektionen weggelassen habe. Meist habe ich dann als Verstärkungshilfe eine Gerte dazu genommen.

Und natürlich braucht man grundsätzlich keine Sporen, um mit einem Pferd zu kommunizieren und auch nicht, um es zu kontrollieren. Doch für mich gibt es, eine gute, faire, bewusste, qualifizierte und koordinierte Anwendung vorausgesetzt, viele Vorteile in der Verständigung zwischen Pferd & Reiter durch den Einsatz von Sporen.

Bildlich vergleiche ich gerne den Sporen mit einem Finger, der sehr punktuell Berührungsreize setzen kann und durchaus im wahrsten Sinne des Wortes oft mehr Energie und Reaktion rauskitzeln kann als der „blanke“ Schenkel.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass egal, welche Ausrüstung man benutzt oder weglässt, hauptsächlich unsere innere Einstellung über fair oder unfair, sinnvoll oder sinnlos, effektiv oder uneffektiv, klar oder schwammig, liebevoll bestimmt oder aggressiv und damit über die Berechtigung deren Benutzens entscheidet, mehr als die Anwesenheit der Ausrüstung selbst.

Sporen können sehr gut die Körpersprache des Reiters, genau gesagt die Absichten der Sitz- und Schenkelhilfen verdeutlichen. Wichtig ist für mich dabei das Bild zu haben, dass der Druck einer Hilfengebung grundsätzlich nicht strafen, ermahnen, korrigieren oder gar erzwingen soll, sondern lediglich Kommunikation ist. Pferde kommunizieren mit Energie und Druck und können sich somit äußern und verständlich machen. Ein Beispiel aus der Kommunikation einer Stute mit ihrem Fohlen: Wenn die Mutterstute dem Fohlen z.B. mit der Nase den Weg weisen will, dann fängt eine gefühlvolle Stute mit einem leichten schiebenden Druck an und soll das Fohlen verstehen, dass es stärker auf die Aufforderung reagieren soll, dann fängt sie an mit der Nase rhythmisch zu Schubsen und steigert dies, und wenn die Energie in der Reaktion des Fohlens immer noch weit weg von der angemessenen Reaktion ist, kann es dabei sogar auch zu einem Beißen kommen. Doch die Stute würde ihr Fohlen nie verletzen, strafen, quälen oder verstoßen wollen. Sie will sich lediglich verständlich machen mit der Liebe, der Fürsorge, der Führung und Verantwortung, dem Gefühl und der Bestimmtheit einer guten Mutter.

In der Pferdesprache gibt es keine klare, verständliche Kommunikation ohne Druck. Er ist ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation. Er hat Aufforderungscharakter und erklärt, wann die gedachte Aktion noch nicht angemessen ist.

Wenn man mit diesem Bild und der dazu passenden inneren Einstellung herangeht und man von der Balance, Koordination, sowie dem Gefühl und Timing her in der Lage ist, Sporen richtig einzusetzen, dann kommen ganz viele Vorteile zum Tragen.

Der Sporen kann Schenkeldruck und -Impulse sehr genau und auf den Punkt verstärken. Auch die Richtung der Schenkelsignale können sehr klar differenziert werden. Denn Schenkelhilfen können vorwärts, rückwärts, seitwärts und aufwärts wirken und sie können aktivierend und auch bremsend sein.

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Hier unterstütze ich ICEMAN bei einer Wendung, die durch den äußeren Schenkel eingeleitet ist mit dem inneren Schenkel durch kleine aufwärts gerichtete Einwirkungen mit Sporenhilfe in der Form. ICEMAN hebt dadurch den Rücken an, formt seine Oberlinie und setzt sich tief auf die Hinterhand. Druck und Begrenzungen am Kopf kann ich ihm dadurch völlig ersparen.

(fotografiert von Anna Luong Van)

Dies alles lässt sich mit dem „blanken“ Schenkel ebenfalls andeuten, nur eben nicht so gut und genau verstärken. Aber etwas Verstärkung ist ganz oft nötig, um eine begonnene Aktion verständlich zu Ende zu bringen, so wie bei der Unterhaltung der Mutterstute mit ihrem Fohlen.

Benutze ich z.B. Schenkelhilfen zur Kommunikation, erkläre jedoch meinem Pferd nicht durch Verstärkungen des Drucks bzw. der Energie, wenn es nicht angemessen reagiert hat, dann stumpfe ich ein Pferd sehr schnell auf Schenkelhilfen ab. Das wäre so, wie wenn man Bodenarbeit macht, ohne je eine Verstärkung wie eine Gerte, ein Seilende, eine Peitsche, einen Stick o.ä. zur Hilfe zu nehmen, dann würde man das Pferd auch auf viele Körpersignale und Gesten abstumpfen. All die genannten Hilfsmittel sind fair und gut eingesetzt wichtige Kommunikationsmittel für die Dosierung von Energie und Druck. Dazu gehören meines Erachtens und meiner Erfahrung nach auch die Sporen, aber eben dann, wenn man als Reiter einen sehr bewussten Einsatz der Sporen umsetzen kann.

Gerade wenn es um Jungpferde geht, höre ich oft die Frage: „Warum reitest Du so früh schon mit Sporen?“ Doch genau in der Basis, in der Jungpferdeausbildung sollte ich meinem Pferd möglichst klar und deutlich erklären, wie es die einzelnen Einwirkungen und insbesondere die Schenkelhilfen verstehen soll und was von ihm als Reitpferd gefordert wird. Mit Sporen bin ich sogar in der Lage, dem jungen Pferd so gut mit den Schenkeln zu helfen, dass es deutlich weniger Druck und Einsatz der Zäumung braucht. Und da Nase und Maul des Pferdes sehr sensibel sind, macht es für mich absolut Sinn, so wenig Zügeldruck wie möglich zu benutzen.

 

Oft schimpfen Menschen über Sporen, ziehen ihrem Pferd aber permanent am Kopf herum. Ich denke, jeder Reiter, der die kurz- und langfristigen Auswirkungen guten Sporeneinsatzes in der Pferdeausbildung kennengelernt und entsprechend viel Erfahrung hat, weiß wovon ich spreche, wenn ich behaupte, dass Sporen ein sehr faires und super geniales Hilfsmittel sein können.

Wie immer braucht es Know-How, Balance, Feeling, Timing und eine gute innere Haltung.

Viel Spaß und Erfolg mit Pferden wünscht Euch Thomas von pro ride HORSEMANSHIP!

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